26.06.2021
Ich bin dann mal weg!
Genau, ich bin dann mal weg!
Ja ich weiß, den Titel gab es schon, ich möchte ihn auch wirklich niemandem streitig machen.
Aber es bringt die Sache halt einfach ziemlich genau auf den Punkt, H. P. Kerkeling hatte schon immer ein Händchen für Worte, oder halt ein Mündchen.
Die Idee zu dieser Tour hatte ich schon letztes Jahr, kam dann aber doch nicht dazu sie umzusetzen.
Ein Kollege erzähle von seinem Urlaub auf der autofreien Insel Juist und ich fand einfach die Idee, mit dem Fahrrad zu einer autofreien Insel zu fahren witzig.
Aber worum geht es mir eigentlich genau?
Es soll ein Abenteuer werden, herausfordern und hoffentlich zeigen das auch ohne 100%ige Planung und Regeln bis ins klitzekleine etwas Großartiges entstehen kann, denn meist kommt es ja eh anders als geplant. Man muss nur an jedem Tag sein Bestes geben, was immer das an diesem Tag auch sein mag.
Und den Ärger, dass ein Plan nicht aufgeht, kann man sich ja auch sparen.
Also vielleicht eine Reise auf der Spur der Frage: Sicherheit oder Freiheit?
Einfach flexibel sein müssen um sich auf Umstände, die man nicht ändern kann, spontan einstellen zu können. Jeder Moment im Leben ist eine Kreuzung.
Morgens gar nicht zu wissen wie der Tag verlaufen sollte, wird nicht einfach für mich. Natürlich, im Grunde weiß ich was auf mich zu kommt. Ich setze mich auf mein Fahrrad und fahre die ca. 500 km in Richtung der ostfriesischen Insel Juist.
So weit schon klar.
- Fahrrad fahren
- Essen, trinken
- Schlafen
- Von vorne anfangen
Aber was kommt wirklich auf mich zu?
Jeden Morgen die Frage, wie weit schaffe ich es wohl an diesem Tag?
Was wird mir den Tag über alles passieren? Werde ich vielleicht neue Leute kennenlernen und interessante Gespräche führen?
Morgens nicht zu wissen wo ich abends einkehren werde, ist ja normalerweise nicht das was ich machen würde. Aber hier bin ich nun mal der Einzige, der davon betroffen ist. Also halb so wild.
Für manch einen wirke ich vielleicht chaotisch und ich kann nicht wirklich abstreiten das ich mich, von außen betrachtet, hin und wieder auch so verhalte.
Aber in meinem Kopf ist in der Regel alles durchdacht und hat seinen Ablauf. Es ist dabei einfach nur nicht hilfreich, dass andere Personen meinen Plan nicht kennen. Was besonders blöd ist wenn er nicht aufgeht, weil ich etwas falsch eingeschätzt habe oder wieder irgendetwas wichtigeres vorgezogen wurde. Und auf Neues muss ich mich auch erst einstellen. Und jetzt wird alles neu sein...
Nicht alles was ich tue ist taktisch klug, aber in dem Moment immer emotional notwendig.
Jetzt habe ich noch so viele offene Fragen im Kopf die ich erst am Ende der Reise in die Akten legen kann, mit oder ohne Antwort.
Die einfachsten davon sind z. B.:
- Wird der Wettergott mir und meinem Vorhaben wohl gesonnen sein?
- Werde ich die ganzen drei Wochen auf Tour sein oder vielleicht auch mal einen Tag länger an einem Ort bleiben?
- Wie viel Kilometer werden am Ende dabei rumkommen.
- Finde ich immer einen Platz zum schlafen oder muss ich vielleicht auch eine Nacht durchfahren?
Wann habe ich meinen ersten Platten oder stimmt das "DER UNPLATTBAR-REIFEN" Versprechen?
- Trägt mich mein mittlerweile 30 Jahre lang treues Stahlross auch weiterhin, ohne mich abzuwerfen?
- Und warum in aller Welt, soll ich danach auch noch mit einem rosa Zauberstab auf dem Rücken eines Pferdes stehen? Wie viel Abenteuer muss es denn bitte sein?
Noch ein Zitat aus einem Buch, das mir eine Kollegin geschenkt hat:
Keiner von uns kann, wenn wir ehrlich sind,
aus vollem Herzen zu allen Situationen Ja sagen.
Es wird aber auch nicht von ihm verlangt;
verlangt wird nur, anzunehmen.
Im Annehmen dessen, was wir nicht ändern können,
liegt der eigentliche Reinigungs-
und Verwandlungsprozess.[^1]
[^1]: Willigis Jäger (* 7. März 1925; † 20. März 2020), deutscher Benediktinermönch und Zen-Meister.
Nun kann ich in ca. 28 Tagen wirklich sagen "Ich bin dann mal weg!". Und ich werde versuchen so oft wie möglich aus vollem Herzen Ja zu sagen.

Und als kleines Nebenprodukt hoffe ich in den drei Wochen mindestens die 1,743 km Strecke von LEJoG zurück zu legen.
Das bedeutet von Land's End nach John o 'Groats und wäre die Durchquerung der gesamten Insel Großbritanniens in der Länge zwischen den zwei Extremitäten im Südwesten und Nordosten.
Urlaub hätte ich ja noch. 😉
Und nun gebe ich als kleinen Tipp noch einen Film aus England (nach dem Buch des französischen Psychiater und Schriftsteller François Lelord) mit auf den Weg:
Hectors Reise oder Die Suche nach dem Glück

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