Don Quijote: „Sich zurückziehen heißt nicht davonlaufen; und den Kopf hochtragen ist nicht Klugheit.“

Axel Nordmann 0 Comments
10.08.2021
Stopp: Menden
gefahrene km: 126 km

Für heute gab es zwei Pläne, abhängig vom Wetter.
Entweder ich fahre die letzte Etappe oder ich verlängere im Hotel um eine Nacht, mache mich auf den Weg nach Sachsenhausen und suche mir eine schöne Apfelweinkneipe und genehmige mir da den ein oder andern Schobbe.

An Sachsenhausen und den Apfelwein habe ich gute Erinnerungen. Es war 1990 als ich mit einem Kollegen auf diversen Konzerten der World Violation Tour von Depeche Mode war, unter anderem auch in Frankfurt.
In dem Jahr waren wir auch zusammen im Urlaub am Plattensee in Ungarn und ich habe mir da nicht nur eine ziemlich heftige Narbe am Handgelenk geholt, sondern auch ein paar Frankfurter kennengelernt.
Und wo wir schon einmal in Frankfurt waren, wurden wir dort auch von den Bekannten rumgeführt.
Wir waren in der Batschkapp (ja, an den Namen kann ich mich auch nach 30 Jahren noch erinnern und es gibt sie wohl immer noch) und in Sachsenhausen. In Alt-Sachsenhausen habe ich dann auch meinen ersten Bembel Ebbelwoi getrunken, lange bevor ich überhaupt vom irischen Cider und dem Mix-Getränk Snake Bite gehört habe.

Also, je nach Wetter wollte ich entweder meine Erinnerung an den Apfelwein auffrischen oder es sollte der längste Tag meiner Reise werden.
Es wurde der längste Tag aber leider nicht was die Kilometer angeht.

Als ich aufwachte, machte das Wetter einen guten Eindruck. Zwar waren Wolken am Himmel, aber es schien auch die Sonne. Um noch alle Optionen offen zu halten ging es zeitig zum Frühstück. Ein Frühstück wie es für solche Ketten üblich ist, nichts Besonderes aber ein wenig mehr als übliche Buffet. Mit Würstchen und Speck halt auch ein wenig auf die internationale Kundschaft ausgerichtet.
Also wird reichhaltig gefrühstückt, denn egal wie der Tag weiter gehen wird, eine Grundlage kann auf jeden Fall nicht schaden.

Nach dem Frühstück, und einem Blick auf den Regenradar, entscheide ich mich dafür meine Zelte hier abzubrechen und ein andermal Apfelwein trinken zu gehen.
Ich packe zusammen, checke um kurz vor 9 Uhr aus und hole mein Fahrrad aus der Tiefgarage.
Und da es noch etwas frisch war, hatte ich meine lange Hose an und die dünne Jacke angezogen.

Das Wetter ist schön und die ersten Kilometer komme ich gut voran, bergab, was sich dann allerdings schlagartig ändert.
Das Taunus und Westerwald Berge bedeutet war mir ja klar, aber ich habe das ganze schwer unterschätzt.
Nach 10 km bin ich nassgeschwitzt und musste mein Fahrrad schon einige mal schieben, so steil war es teilweise. Geschützt in einer Obstplantage ziehe ich mich um. 😅 Lange Hose und Jacke sind auf jeden Fall unnötig.
Meine Wasserflasche war heute ziemlich schnell leer. An einem Friedhof fülle ich sie nach. ⛪ Gleich zwei Mal, so durstig bin ich.
Anfänglich freue ich mich noch über jeder Talfahrt, stelle aber ziemlich schnell fest das ich sofort danach wieder bergauf muss. Wie schnell doch so ein Gefühl umschlagen kann. Dafür ist es aber ein erhebendes Gefühl des Glücks, wenn man oben angekommen ist, sich umblickt und feststellt, dass um einen herum keinen Berg mehr höher ist. Aber wenn man dieses Gefühl des Öfteren hatte, fängt man auch ihm an zu misstrauen.
Als ich mein Fahrrad mal wieder schieben muss, entdecke ich ein Schild am Straßenrand.

Es ist klar warum sogar schieben hier nicht einfach ist. 🥵 Und solche Schilder säumen eine Zeitlang meinen Weg.
Jeder der mit dem Auto an mir vorbeifährt lächelt entweder aufmunternd oder guckt mich mitleidig an.
Zu allem Überfluss verschlimmert jeder Berg den ich fahre das Problem an meiner Gangschaltung.

Für die ersten 50 km brauche ich fast fünf Stunden, und das ganze ohne großartige Pause. Normalerweise hätte ich in der gleichen Zeit mindestens die doppelte Strecke zurückgelegt. ⏱️
Im nächsten Penny hole ich mir ein Eis und eine große Flasche Wasser, 1 l war eindeutig zu klein.

Es geht immer weiter Bergauf, Bergab.
Auch wenn ich schon an Tag 11 und 12 von Bergauf, Bergab geschrieben habe, das war lächerlich zu dem was ich hier machen musste. ⛰️

Ich fahre durch Orte mit bekannten Namen wie Selters oder Limburg. Immer häufiger werde ich auf Bundesstraßen geführt. Mein Stahlross streckt so langsam die Hufe von sich. Es gibt kaum noch einen Berg oder Hügel den ich fahren könnte, die Kette rutscht immer öfter durch.
Besonders auf den Bundesstraßen macht mir das Sorgen, da rasen viele einfach nur an mir vorbei. Sobald ich eine leichte Steigung erblicke steige ich ab und schiebe mein Fahrrad lieber auf der Gegenverkehrsseite.
Gegen 17 Uhr mache ich an einem Edeka halt und hole mir eine Kleinigkeit zum Essen und ein paar Äpfel. Seit dem Frühstück habe ich, außer dem Eis, heute nichts mehr gegessen.
Ich beiße mich weiter durch, versuche so viel Strecke wie möglich zu machen und fahre Slalom um wenigstens bei leichten Bergen nicht absteigen zu müssen. Aber auch das ist fast nicht mehr möglich.
Gegen 18 Uhr mache ich mir intensiv Gedanken darüber, wie es weiter gehen soll.
Ich bin jetzt seit neun Stunden unterwegs, habe noch immer über 50 km vor mir und es wird langsam dunkel.

Die Hotels an denen ich vorbeikomme sehen alle komplett geschlossen aus und der DB Navigator schlägt mir vor 25 km zurück zu fahren um mich dann in einen Zug zu setzen. Aber die angegebene Abfahrtszeit des Zuges lässt das Ganze eh utopisch werden.
Ich bin hin und her gerissen ob ich das jetzt einfach durchziehe oder nicht.

Auf dem Handy poppen die ersten Nachrichten auf, in denen ich gefragt werde ob ich schon angekommen oder noch unterwegs bin.
Meine Kollegin bietet mir sogar an mich abzuholen, aber mit Fahrrad und Gepäck würde man einen Kombi benötigen.
Stattdessen bitte ich sie für mich nach einem Bahnhof in der Nähe zu suchen von dem ich auch ich Richtung Heimat komme.
Keine fünf Minuten später bekomme ich die Antwort.
Vom Bahnhof Altenkirchen (Westerwald) fährt stündlich ein Zug nach Au (Sieg), von wo aus ich dann nach Troisdorf komme. Sollte ich noch einmal umsteigen wollen, könnte ich sogar nach Menden fahren.

Mein Navi sagt es sind 6 km bis zum Bhf. Altenkirchen, das hört sich nach einem guten Plan an.

Bisher blieb es ganzen Tag trocken, aber jetzt braut sich über mir langsam etwas zusammen.
Mitten auf der Bundesstraße mache ich kehrt und fahre Richtung Bahnhof. Zum Glück muss ich mein Rad nur zwei Mal schieben, einmal verfahre ich mich leicht aber dann geht es fast nur noch Bergab. Um 20 Uhr bin ich am Ziel und ziehe schnell Karten für mich und Rosinante, der Zug kommt in einer viertel Stunde.
Kaum habe ich die Karten gezogen wird mein Zug ausgerufen. Ich wechsele gerade auf Gleis 3 als es leicht anfängt zu nieseln.
Als der Zug einfährt, bin ich froh der einzige Fahrradfahrer zu sein. Ein wenig hatte ich mir Sorgen gemacht keinen Platz zu bekommen und doch noch hier fest zu sitzen.
In dem Augenblick, in dem sich die Türen schließen, fängt es heftig an zu schütten.
Das nenne ich mal Glück.
Beim Umsteigen in Au (Sieg) hat der Regen etwas nachgelassen, aber dafür ist der Aufzug defekt und ich darf mein schwer beladenes Fahrrad die Treppe runter rollen. Ich habe nur eine Umsteigezeit von vier Minuten, das ist nun wahrlich nicht viel. Ich bin zwar nicht der einzige Fahrradfahrer der vor dem Regen flüchtet, aber ich ergattere für mein Rad einen Einzelplatz.
Pünktlich um 21:17 Uhr komme ich in Troisdorf an und fahre die letzten Kilometer mit dem Rad. An der neuen Eisenbahnbrücke an der Sieg muss ich wieder schieben, Rosinante ist jetzt einfach platt.

Ich sehe, dass beim Griechen noch Licht brennt und schaue nach ob noch offen ist.
Die Kleinigkeiten die ich heute gegessen habe, haben mich zwar gut durch den Tag gebracht, aber jetzt habe ich Kohldampf.
Nach einem Gyrosteller (ohne Tsatsiki) mit Fritten und einem längeren Gespräch mit dem Wirt parke ich gegen 23:00 Uhr mein Rad in der Garage.

Damit ist mein kleines Abenteuer vorerst beendet.🤴 🏆
Geplant waren heute 153 km und geworden sind es dann doch nur 126 km. Wobei nur hier scherzhaft zu verstehen ist.
Da ich heute, selbst wenn ich den Griechen rausrechne, fast 13 h unterwegs war, wurde es dann doch irgendwie der längste Tag meiner Tour.
Und als kleinens Addon habe ich, laut meiner GPS Uhr, heute einen positiven Höhenunterschied von 1.799 m zurückgelegt. Der größte Höhenunterschied an den Tagen davor war 514 m und in der Regel blieb ich unter 300 m. Morgen rufe ich als erstes bei meinem Fahrradladen an, um herauszufinden ob die Ersatzteile mittlerweile geliefert wurden. Immerhin wurden sie ja schon vor drei Wochen bestellt. 🚴

Axel Nordmann

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